Eine kleine Zusammenfassung aus den Beobachtungen im Mai dieses Jahres…
Endlich ist es wieder soweit: Die Sonne scheint und die Radfahrer sind wieder unterwegs. Ab jetzt sieht man wieder Unmengen an Gelegenheits- und Sonntagsfahrern. Dabei kann man diese bereits schnell an verschiedenen Merkmalen in diverse Gruppen unterteilen.
Die am einfachsten zu erkennende Gruppe sind die „Sparsamen“. Eigentlich verbringen diese die Sonntage entweder auf der Terrasse oder vor dem Fernseher. Irgendwann kommt aber auch bei ihnen das Bedürfnis auf, eine Radtour zu unternehmen. „Irgendetwas muss daran ja gut sein. Sonst würden es ja nicht so viele machen.“.
Gesagt, getan. Ein Blick in die Garage, vorbei am Golf 2: „Treffer!“. Hinten, hinter Sperrmüll, Farbresten und Utensilien diverser, niemals ausgeübter Hobbys stehen zwei schmucke Fahrräder. Na gut, die besten Tage haben diese Modelle namens „Flying Dutchman“ und „Sperber“ schon hinter sich. Der Staub verbirgt erfolgreich die lustigen Farben eines vergilbten Kodacolor aus den 70ern. Die beigen Reifen haben längst jegliche Luft durch ihre großen Poren verloren und eine feine Schicht von Flugrost überzieht jeden erdenklichen ehemals verchromten Teil dieses Schmuckstücks. Aber so schnell verzagen die „Sparsamen“ nicht und schaffen es innerhalb von weniger als zwei Stunden, Luft in die bedenklich rissigen Schläuche zu pumpen, die Staubschichten abzutragen und fröhlich die Klingel auszuprobieren. Dann kann es endlich losgehen, bewaffnet mit einer funktionsuntüchtigen Handluftpumpe, guter Laune und einem wahren Konzert an Quietsch-, Knarr- und Schleifgeräuschen wird die etwa 500 m entfernte Eisdiele angesteuert. Nach dem Verzehr von 3 Kugeln Eis wird der Heimweg wegen der nun wieder luftleeren Reifen schiebender Weise angetreten. Die Räder kommen zurück in ihre angestammte Ecke, die Eimer und der Sperrmüll werden wieder davor plaziert und man beschließt gemeinsam, die tolle Tour irgendwann einmal zu wiederholen.
Die nächste Gruppe unterscheidet sich grundlegend: die „Ambitionierten“. Wesentlicher Bestandteil dieser Gruppe sind Paare jenseits der Silberhochzeit. Die Kinder haben sich von den Eltern weitgehen distanziert, der Sinn des Hausfrauendaseins reduziert sich auf ein gleichmäßiges Sauberhalten des Einfamilienhauses und der Mann steuert mit großen Schritten auf das letzte Lebensdrittel zu. Bereits am Freitag wird das Wetter der nächsten Tage gecheckt, seit zwei Wochenenden wird gemeinsam an nagelneuen Radwegkarten eine 40 km-Tour geplant und schon am Samstag werden die Räder geprüft, geputzt, geschmiert und poliert. Die Ausstattung: elitär! Die Räder wurden bereits vor zwei Jahren im Zweiradfachgeschäft für jeweils 2000 € erstanden. Typgleich für Sie und Ihn. Ausgestattet mit allem, was man sich an einem Fahrrad nur vorstellen kann. Gelagert in der Doppelgarage an automatischen, hydropneumatischen Titanaufhängungen. Als weitere Ausstattung wurde ein Fahrradtaschen-Komplettsystem mit Kühlfunktion und eigener, solargestützter Engergieversorgung erstanden. In dieses wird am Sonntag die Verpflegung untergebracht. Neben den obligatorischen „Stullen“ lagern hier auch isotonische Getränke und diverse, überteuerte Energieriegel. Der ganze Stolz der „Ambitionierten“ ist jedoch deren Spezialkleidung. Für einen stolzen Preis besteht diese aus einem polykonnektierten High-Tech-Stoff, der auch bei Temperaturen um den Gefrierpunkt noch eine Sacktemperatur von angenehmen 25 Grad garantiert. Polsterungen aus einem Memory-Schaumstoff sorgen für Schutz an den empfindlichen Stellen. Farbenfroh wie die Profis der Tour de France sehen die beiden darin aus, wie Lance Armstrong mit 80. Sie noch mehr als er. Die Fahrradhelme bestehen aus kohlefaserverstäktem Kunststoff und wurden von der Nasa im Windkanal getestet. Die Tour beginnt pünklich um 9 Uhr direkt nach dem Sportler-Müsli-Frühstück. Bereits nach einer halben Stunde (gezeitet auf dem 300 € teuren Fahrradcomputer mit funkgestützter Pulsmessung) stellt sich bei ihm das wohlige Kribbeln absterbender Genitalien ein. Weitere 15 Minuten später macht sich ihr Bandscheibenvorfall wieder bemerkbar. Bei bisher absolvierten 5 Kilometern, verursacht durch diverse Nachjustierungen an der Fahrradgeometrie beschließen beide die Tour abzukürzen und verbringen den restlichen Tag behelmt im Cafe um die Ecke bei reichlich Sahnetorte und Kännchen Kaffee.
Die dritte Gruppe sind die „Familien“. Alle Familienmitglieder sind weitgehend fahrradunerfahren. Die Radtour beginnt nach dem gemeinsamen Mittagessen kurz vor dem Langeweile-Höhepunkt der Kinder. Mit dem Versprechen, ein Eis zu essen werden diese ahnungslosen Geschöpfe auf ihre Baumarkträder gelockt. Das Familienoberhaupt hat zur Feier des Tages die kurze Hose elegant mit Trekkingsandalen und Socken kombiniert. Sie trägt ihre schicke kaki Cargohose mit einem schlichten weißen Schlabbershirt. Vor der Fahrt werden gemeinsam alle Fahrradhelme (vorwiegend mit lustigen Spongebob-Motiven) auf den Köpfen montiert. Alle sichtbaren und nichtsichtbaren Körperteile werden von Mama mit etwa 2 cm Sonnecreme mit Lichtschutzfaktor 100 bedeckt. Nach einer zurückgelegten Strecke von maximal 2 km fangen die beiden Kinder bereits an zu quengeln. Papa besteht jedoch weiterhin auf sein geplantes 10 km Programm. Nach 3 km gerät eines der Kinder in eine Rinne und fällt seitwerts in einen liebevoll mit Wildrosen verzierten Vorgarten. Nach gerade einmal 20 Minuten kann der Gefallene von der Weiterfahrt unter permanentem Schluchzen überzeugt werden. Nach weiteren Vorfällen bei KM 5 (schleichender Plattfuss bei Mama („Warum fährst Du auch immer den Schleichweg zum Bauchtanzkurs der VHS“ und 20-minütiger Reparatur) und KM 9 (erneuter Sturz vom Kind, dieses mal mit deutlichen Abschürfungen), wird nach 2,5 Stunden endlich die Eisdiele erreicht. Der Höhepunkt dieser Radtour ist jedoch die Tatsache, dass Papa leider gar kein Geld eingesteckt hat. So wird dann frustiert unter ständigem Geschrei der Kinder der Rückweg angetreten.